Le Centre pour la concurrence fiscale recherche les effets d'une concurrence fiscale dynamique et d'une protection efficace de la sphère privée financière sur la liberté individuelle et la propriété.

Fehltritt Erbschaftssteuern

Stets wieder fordern linke Parteien eine nationale Erbschaftssteuer für grosse Vermögen. Doch die Steuer funktioniert immer weniger, je mobiler Erben und Erblasser werden.

Immer wieder fordern linke Parteien eine nationale Erbschaftssteuer auf grosse Vermögen. So zuletzt die SP und die EVP, die eine gemeinsame Volksinitiative für eine Steuer von 20 Prozent auf Erbschaften von 2 Millionen Franken planen. Von ihren Vertretern wird immer wieder behauptet, die Erbschaftssteuer sei eine besonders gute Steuer. Sie sei gerecht und effizient, weil sie keine negativen Leistungsanreize setze. Nur leider sei sie wegen dem kantonalen Steuerwettbewerb heute viel zu tief. Deshalb brauche es eine nationale Erbschaftssteuer. Diese brächte viel höhere Erträge.

Natürlich verstehe ich alle, die sich wünschen, dass die anderen mehr und sie selber weniger Steuern zahlen müssen. Tatsächlich aber funktioniert eine Erbschaftssteuer für grosse Vermögen schon heute nicht und in Zukunft erst recht nicht mehr. Denn die Anreizwirkungen von Erbschaftssteuern werden dramatisch unterschätzt.

Wenn sie bei den Erben erhoben werden, können die Erben die Steuer leicht umgehen, indem sie auf den erwarteten Erbzeitpunkt an einen Ort ohne Erbschaftssteuern ziehen. Auch deshalb besteuern viele Länder genau so wie die Schweizer Kantone den Erbgang ausschliesslich am Wohnsitz des Erblassers oder am Standort der Erbmasse, was im Übrigen auch die SP und EVP wollen. Aber auch das funktioniert aus zwei Gründen immer weniger.

Reale Erbschaftssteuern schaffen massive Fehlanreize

Erstens fallen viele grosse Erbschaften nicht als leicht besteuerbares Finanzvermögen, sondern in der Form von Unternehmungen und Immobilien an. Dabei droht, dass die Erben die Steuern nicht zahlen können, ohne die Unternehmungen und Immobilien zu verkaufen oder gar liquidieren und damit auch Arbeitsplätze zu gefährden. Der Staat besteuert deshalb Erbschaften in Form von Unternehmungen und Immobilien zumeist viel tiefer als Finanzvermögen. Das wiederum veranlasst potentielle Erblasser, ihr Vermögen vermehrt in solchen steuerbegünstigten Formen anzulegen, auch wenn es für sie abgesehen von der Steuerersparnis wirtschaftlich völlig unsinnig ist. Damit sinken sowohl der Steuerertrag wie auch die wirtschaftliche Effizienz. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Anlageformen ging in Deutschland und Österreich so weit, das ihre obersten Gerichte kürzlich die Erbschaftssteuern aussetzte. Österreich hat danach die Erbschaftssteuer ganz abgeschafft. Deutschland hat sie reformiert. Heute entfallen die Steuern auf vererbten Unternehmen die Steuer dann vollständig, wenn sie wenigstes 7 Jahre im Besitz der Erben bleiben und die Lohnsumme über diese Zeit nicht sinkt. Natürlich schafft das starke Fehlanreize. So gibt die Regelung in Unternehmungsführung wenig kompetenten Erben Anreize, die Firma selbst zu führen, statt sie neuen, fähigeren Eigentümern zu verkaufen. Und sie schafft Anreize, marode Firmen viel zu spät zu sanieren.

Erblasser werden mobiler»

Ein zweites Problem ist längerfristig noch gravierender und wird eine hohe Erbschaftssteuer in dem Zeitraum, den ihre Einführung bräuchte, völlig aushebeln. Mit fortschreitender Globalisierung und medizinischem Fortschritt werden auch potentielle Erblasser immer mobiler und der Todeszeitpunkt zunehmend wählbar. Entsprechend können Erblasser ihren Wohnsitz auf den Todeszeitpunkt hin an einen Ort ohne oder mit sehr tiefen Erbschaftssteuern verschieben. Schon heute gibt es in Ländern wie Thailand oder Indien immer mehr Unternehmungen, die sich auf die Beherbergung und Pflege von ausländischen Pensionären und Alten spezialisieren. So zieht es immer mehr unserer potentiellen Erblasser in südliche Gefilde, weil dort nicht nur das Leben angenehm und billig ist, sondern auch die Altenbetreuung immer besser wird. Mit der zunehmenden Entwicklung dieser Länder wird die Mobilität der Alten nur noch zunehmen. Mit der Einführung einer substantiellen Erbschafssteuer dürften deshalb immer mehr Erblasser — zuweilen unter „Beratung“ durch ihre Erben — ihren Wohnort und bald auch den Todeszeitpunkt an die Erbschaftsgesetze anpassen. Damit würde die Erbschafssteuer nicht nur weniger ertragreich, sondern sie droht vor allem den Sterbetourismus und den Freitod zu fördern und so zur unmoralischsten aller Steuern zu werden.

Natürlich argumentieren die Erbschaftssteuer-Befürworter dagegen, dass doch Menschen nicht so ökonomisch handeln würden. Aber auch das ist einfach falsch. Die Erfahrungen aus Deutschland und vielen anderen Ländern zeigen, wie gezielt die Alten das Erbe für ihre Familien vor den Steuern zu retten versuchen. Und es ist einfach unsinnig anzunehmen, reiche Leute arbeiteten das Leben lang hart und täten sonst alles für ihre Kinder — ausser die Erbschaftssteuern zu minimieren.

Tatsächlich versuchen deshalb viele Länder mit hohen Erbschaftssteuern schon heute dem Abwandern potentieller Erblasser Gegensteuer zu geben. So erhebt Deutschland eine Wegzugsteuer, die vor allem Reiche trifft, und versucht eigene Staatsangehörige auch noch bis zu fünf Jahren nach ihrem Wegzug mit der deutschen Erbschafssteuer zu belegen. So führt dann eine Steuer zur nächsten und am Schluss zur Behinderung der freien Auswanderung — ein Mechanismus, der an Friedrich August von Hayeks berühmtes Werk „Der Weg zur Knechtschaft“ erinnert.

Hohe heutige Schweizer Erbschaftssteuereinnahmen

Wie gross die Ausweichbewegungen trotz aller Kontrollen und Vorschriften heute schon sind, zeigt sich eindrücklich an den Steuererträgen: So bringen in der Schweiz die von der SP/EVP kritisierte tiefen kantonalen Erbschaftssteuern jährlich rund 950 Mio Franken ein, was etwa 0,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts und knapp 0,8 Prozent der gesamten Steuereinnahmen entspricht. Hingegen bringt die hohe zentralisierte Deutsche Erbschaftssteuer, die Erbschaften in direkter Linie mit einem Satz von 30 Prozent und an Unverwandte mit 50 Prozent besteuert, rund 4 Mrd Euro ein, was nur 0,16 Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts entspricht. Und die als sehr hoch bekannte Englische Erbschaftssteuer, die alle vererbten Vermögen von mehr als 325'000 Pfund unabhängig vom Verwandtschaftsgrad der Erben mit 40 Prozent besteuert, bringt nur 0,8 Prozent der gesamten Steuereinnahmen — genau so wie in der Schweiz. Tatsächlich bringen also die zentralisierten, hohen Deutschen oder Englischen Erbschaftssteuer nicht mehr ein als unsere völlig dezentralisierten, tiefen kantonalen Erbschaftssteuern. Die weitverbreitete Meinung, dass heute in der Schweiz Erbschaften wenig besteuert werden, ist einfach falsch. Andere Länder haben zwar höhere Sätze, aber auch viel mehr Ausnahmen und massive Steuervermeidung. Zu glauben, in der Schweiz könne man einfach die Steuersätze und so die Einnahmen erhöhen ist naiv. Je höher die Steuersätze werden, desto stärker sind die Anreize der Betroffenen, der Steuer möglichst auszuweichen, und desto mehr Ausnahmen werden ihnen von der Politik gewährt. Die von der SP/EVP und vielen mehr geforderte nationale Erbschaftssteuer „auf hohen Vermögen“ würde deshalb schlussendlich nicht von den wirklich Reichen getragen, sondern sie würde vor allem die kleineren und mittleren Vermögen treffen, für die sich „Optimierung“ weniger lohnt.

Reiner Eichenberger ist Ordinarius für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Fribourg sowie Forschungsdirektor von CREMA (Center of Research in Economics, Management, and the Arts). Dieser Aufsatz wurde sprachlich minim überarbeitet in der «Finanz und Wirtschaft» vom 30. Juli 2011 publiziert. Das Liberale Institut bedankt sich beim Autor für die freundliche Genehmigung zur Weiterveröffentlichung.

Dezember 2011