Le Centre pour la concurrence fiscale recherche les effets d'une concurrence fiscale dynamique et d'une protection efficace de la sphère privée financière sur la liberté individuelle et la propriété.

Die Pauschalbesteuerung im Visier der Zentralisierer

Bundesvertreter wollen bei der Besteuerung mobiler Steuerzahler den föderalen Wettbewerb und die Angebotsvielfalt einengen.

Wo ein Mensch seinen festen Wohnsitz aufschlägt, da ist er auch unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig. Wo dies nur teilweise zutrifft, da gelten weniger strikte Regeln. Das scheint jedermann selbstverständlich. Aber warum differenziert der Gesetzgeber zwischen dauernd und nur vorübergehend Wohnhaften? Sollte er nicht beide gleich behandeln? Der Grund ist einfach: Die letzteren sind mobil. Ihrer kann der Fiskus nicht ohne weiteres habhaft werden.

«Race to the top»

Was soll er also tun? Er handelt pragmatisch und besteuert in Abhängigkeit von der Mobilität. Ein aus dem Ausland eingereister Opernstar, der für einen Auftritt in Zürich eine Gage von 100 000 Fr. erhält, bezahlt nicht die auf sein Jahreseinkommen hochgerechneten 36,5% Einkommensteuer, sondern nur eine Pauschale von 17%. Ähnlich wird mit Sportlern, Referenten und Verwaltungsräten aus dem Ausland verfahren. Der Fiskus sagt sich: Es ist besser, eine ermässigte Steuer unmittelbar zu bekommen als die volle Steuer am Sankt Nimmerleinstag.

Zu den mobilen Steuerzahlern zählen auch jene Ausländer, die in der Schweiz Wohnsitz nehmen, keiner Arbeit nachgehen, offenbar vom Kapital leben und daher jederzeit anderswohin ziehen könnten. Ihnen gibt der Fiskus die Option der Pauschalsteuer. Bemessungsgrundlage ist der Konsum oder aber das Einkommen aus Inlandvermögen, falls dieses höher ist. Steuerforderungen auf Auslandvermögens-Einkommen werden nicht erhoben; es wird unterstellt, dass die im Ausland bezahlten Quellen- und anderen Steuern die schweizerische Steuerschuld abgelten.

Die Pauschalbesteuerung hat also ihre tiefere Ursache nicht in der Gunst des Fiskus, sondern in der Mobilität der Steuerpflichtigen. Pauschalbesteuerte sind insbesondere in kleineren Gemeinden beliebt, weil sie den Gemeindehaushalt stützen und zur Unabhängigkeit vom kantonalen Finanzausgleich beitragen. Um sie findet ein Wettbewerb statt, aber nicht ein Wettbewerb nach unten zum tiefsten, sondern zum höchsten Preis (race to the top), indem die Gemeinden sich durch Alleinstellungsmerkmale zu überbieten suchen.

Im Ergebnis ist die Pauschalsteuer daher nicht eine Niedrigsteuer, sondern eine Hochsteuer. Im Jahr 2008 lag sie im Durchschnitt bei 116 000 Fr., in einem Fall gar bei 23 Mio. Fr., während der Durchschnittsschweizer nur rund 12 000 Fr. an direkten Steuern entrichtet, wovon die Gemeinde etwa 40% einbehalten darf und der Rest an Kanton und Bund geht. Weiter gilt: Was die Pauschalbesteuerten leisten, senkt die Last der Normalbesteuerten (vgl. Grafik der Auswirkungen nach Kantonen), was besonders in kleinen Gemeinden spürbar ist.

Am 8. Februar 2009 mussten die Wählerinnen und Wähler des Kantons Zürich darüber abstimmen, ob sie die Pauschalsteuer beibehalten oder abschaffen wollten. Weder in der Stadt noch auf dem Land hatte eine einzelne Stimme viel Gewicht. Aber in der Stadt ging der Steuerertrag im grossen Topf unter, während er auf dem Land durchaus spürbar sein konnte. Daher stimmten die Städter eher nach Gerechtigkeits-Grundsätzen, «expressiv», für die Abschaffung, während die Einwohner der Landgemeinden eher nach Nutzen und Kosten, also «instrumentell», wählten und gegen die Abschaffung der Pauschalsteuer stimmten. Das Ergebnis lautete 53% Ja gegen 47% Nein.

Um sicher zu sein, ob sich in diesem Ergebnis der Stadt-Land-Gegensatz widerspiegelt, haben wir diesen Einflussfaktor in einer multivariaten Analyse ermittelt. Darin erwies sich die Gemeindegrösse (neben anderen Variablen) als positiv und hoch signifikant, was zeigt, dass in der Tat die Wähler der grossen Gemeinden expressiv für und die Wähler der kleinen Gemeinden instrumentell gegen die Initiative stimmten.

Zugangsbarrieren erhöhen

Mittlerweile haben die kantonalen Finanzdirektoren einen Reformvorschlag unterbreitet. Sie wollen die Pauschalsteuer einheitlich nur noch für sehr reiche Ausländer zugänglich machen. Unter dieser Schwelle liegende sollen normal besteuert werden. Mit diesem Vorschlag wollen die Finanzdirektoren die Pauschalsteuer politisch retten. Das ist gut so. Ob sie aber damit auch eine Volksabstimmung gewinnen, ist nicht so sicher. Erstens wird dem «expressiv» eingestellten Wähler nicht einleuchten, warum es der Gerechtigkeit dient, wenn nur noch die Wohlhabendsten, aber nicht mehr die etwas weniger Wohlhabenden für die Pauschalsteuer optieren dürfen. Zweitens ist zu fragen, wer vom Vorschlag profitiert. Das dürften in erster Linie die im Geschäft der Pauschalsteuer schon etablierten Gemeinden sein, die die reichsten Pauschalbesteuerten besteuern. «Newcomer»-Gemeinden, die etwas tiefer einsteigen, um sich dann nach oben zu arbeiten, wird der Marktzugang verwehrt. Somit geht der Vorschlag zulasten der aussenstehenden, weniger finanzkräftigen Gemeinden. Sie sind dann vermehrt auf kantonalen Finanzausgleich angewiesen, wofür alle Steuerzahler bezahlen müssen.

Der Entscheid des Kantons Zürich, die Pauschalsteuer einseitig abzuschaffen, hat eines gezeigt: Es geht auch ohne eine bundeseinheitliche Lösung. Auch das Argument steuerbedingter Wanderungen bei kantonaler Steuerautonomie zieht nicht. Ob Kantons- oder Bundeslösung: Zu Wanderungen kommt es so oder so; sei es in die Nachbarkantone, sei es ins Ausland. Die Schweiz ist keine Steuerinsel. Was bei der Zürcher Abstimmung stört und noch mehr bei einer Bundeslösung aufstösst, ist, dass so viele Wähler überstimmt werden und sich dem Diktat der Mehrheit beugen müssen. Das spricht ganz stark für eine kantonale statt für eine Bundeslösung, wobei die Kantone ihr Erhebungsrecht auch an die Gemeinden weitergeben können. Auf diese Weise gibt es weniger Menschen, die unter einem Steuersystem leben müssen, das sie ablehnen.

Bund gegen Angebotsvielfalt

Einen solchen föderalistischen Vorschlag weisen die Bundesregulatoren zurück. Sie haben einen beträchtlichen Einfluss in der Debatte. Auch in der Finanzdirektorenkonferenz haben sie sich durchgesetzt. Ihrer Meinung nach bringt Einheitlichkeit mehr Transparenz. Mag sein, aber sie bringt auch weniger Angebotsvielfalt, schwächt dadurch die Kantone im Steuerwettbewerb mit dem Ausland und fördert die Bürokratie, durch die die Transparenz wieder verwischt wird. Daher überzeugt die Vereinheitlichungs-These nicht.

Wie Zürich so können auch der Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen, Zug und Graubünden abstimmen. Am wenigsten Überstimmte gibt es, wenn die Kantone es den Gemeinden anheimstellen, inwieweit sie Pauschalierte (nach gemeinsamen Regeln) aufnehmen wollen. Vielfach wird dies heute schon so praktiziert. So wäre das Problem der Pauschalsteuer ein für alle Mal gelöst. Die bei einer Zentrallösung unvermeidlichen Nachbesserungen entfallen.

Die Bundesverfassung fordert Subsidiarität. Das heisst, einer Bundeslösung bedarf es nur, wo der Föderalismus nachweislich versagt. Dieser Nachweis wurde bei der Pauschalsteuer bisher nicht erbracht.

Dieser Artikel wurde in der «Neuen Zürcher Zeitung» publiziert.

Februar 2010