Le Centre pour la concurrence fiscale recherche les effets d'une concurrence fiscale dynamique et d'une protection efficace de la sphère privée financière sur la liberté individuelle et la propriété.

Das humanitäre Bankgeheimnis

Das Bankgeheimnis schützt auch den Bürger vor den Exzessen seiner eigenen Regierung. Es sollte mit aller Kraft auch in Zukunft verteidigt werden.

Wieder üben die US-Behörden Druck aus, um die Herausgabe Schweizer Bankkundendaten zu erwirken, und eine erleichterte Amtshilfe über die Bedingungen des Doppelbesteuerungsabkommens hinaus. Doch Druck löst nicht automatisch bloss pragmatische Unterwürfigkeit auf Schweizer Seite aus. Das Parlament ist nicht bereit, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat eine Motion an die Regierung überwiesen, welche verlangt, dass die Schweiz im Bereich der Bankenvertraulichkeit „mit gleich langen Spiessen kämpfen“ solle. Vor allem die angloamerikanischen Trusts sowie Regelungen mancher US-Gliedstaaten sollen ins Visier genommen werden.

Die offizielle Schweiz ist bereits leider sehr weit gegangen, als unter den Drohungen der G20-Staaten das Prinzip der doppelten Strafbarkeit aufgegeben wurde. Schliesslich stellt die Steuerhinterziehung hierzulande, wenngleich sie mit Bussen bedroht wird, keine strafbare Handlung dar. Entgegen schweizerischem Recht ist jedoch genau dies nun in internationalen Amtshilfeverfahren der Fall. Doch es wäre wohl blauäugig, vom Bundesrat eine allzu mutige Haltung gegenüber ausländischen Steuerbehörden zu erwarten. Im Gegenteil, schon ist die Klage zu vernehmen, dass internationale Behörden nun gegenüber schweizerischen bevorzugt würden, wenn es um den Zugriff auf Schweizer Bankkundendaten geht! Das uralte Ansinnen, das Bankgeheimnis auch im Inland abzuschaffen, stösst jedoch noch auf ein bedeutendes Hindernis: nach jüngsten Meinungsumfragen unterstützen nicht weniger als 73% der Bürger den heutigen Schutz der finanziellen Privatsphäre.

Es ist also immer wieder notwendig, in Erinnerung zu rufen, dass das Bankgeheimnis auch dazu dient, den Bürger vor den Exzessen der eigenen Regierung zu schützen. Diese Feststellung ist viel weniger banal, als sie tönen mag: Gemäss dem Freedom House-Index leben 54% der Weltbevölkerung unter dem Joch repressiver Regime. Doch selbst in den etablierten Demokratien bewegt sich die Politik der letzten Jahre in eine bedrohliche Richtung: Überschuldung, Ausgaben und Defizite ausser Kontrolle, gewaltige ungedeckte Sozialleistungen und expansive Geldpolitiken mit erhöhter Inflationsgefahr erzeugen immer mehr Unsicherheit. In einem solchen Umfeld geht es nicht mehr um die Frage, ob ein Bürger etwas zu verbergen habe: Die Privatsphäre ist ein unverzichtbares Mittel, die Individualität des Menschen vor den Zugriffen der Öffentlichkeit zu bewahren. Gerade auch wenn es um das legitim erworbene Vermögen oder Einkommen des Einzelnen geht.

Wir sollten uns daher hüten, den aktuellen Steuerkreuzzug der US-Regierung und anderer G20-Staaten als einen Wirtschaftskrieg abzutun. Denn der eigentliche Zwang wird gegen die eigenen Staatsbürger ausgeübt! Die USA gehen sogar so weit, eine Steuerpflicht auch für jene Bürger einzufordern, die nicht in den USA ansässig sind. Von rund sieben Millionen Auslandamerikanern reichen aber lediglich 6% eine Steuererklärung beim US-Fiskus ein. Darum tritt 2013 der als „bürokratisches Monster“ geltende Foreign Account Tax Compliance Act in Kraft: durch dieses Gesetz streben die US-Behörden den weltweiten, totalen Zugriff auf die Konto- und Depotdaten ihrer Bürger an.

Damit wird ersichtlich, dass sich der aktuelle Steuerstreit nicht gegen die Schweizer Banken richtet, sondern unmittelbar gegen die US-Bürger. Kann es da verwundern, dass zuletzt allein in der Schweiz rund 2000 Personen auf ihre amerikanische Staatsangehörigkeit verzichten wollen? Wehrlose Individuen versuchen so, sich einem ausufernden Leviathan zu entziehen. Einmal mehr hat sich heute das Schweizer Bankgeheimnis als Bollwerk gegen die Masslosigkeit des Staates zu behaupten. Je mehr die internationale Politik in die Irre geht, desto deutlicher wird der humanitäre Charakter dieser bedeutenden Institution. Sie sollte mit aller Kraft auch in Zukunft verteidigt werden.

Dieser Artikel wurde in der Gewerbezeitung publiziert.

Oktober 2011